Sind unsere Pensionen gesichert?

Wir sprachen mit Prof. Bernd Marin über die zukünftige Pensionssituation,

über das Älterwerden der Menschen, und über die Problematik, dass junge Menschen immer weniger aus dem Pensionssystem erhalten. Prof. Bernd Marin ist Executice Director im European Centre in Wien und berät Regierungen und Politiker volkswirtschaftlich bei Pensionsfragen.

BLL: Herr Prof. Marin, sind in Österreich Pensionen in Zukunft gesichert und müssen sich die Menschen um ihre Pensionen Sorge machen?

Marin: Aus heutiger Sicht wird es in Österreich immer Pensionen geben. Auch bei jungen Menschen ist die Sorge, sie würden keine Pensionen mehr erhalten, weitest-gehend unbegründet. Aber natürlich werden die Pensionen bei gleichen Anspruchs-voraussetzungen nicht mehr die Höhe wie bis zu 2014 erreichen. Bis heute bekamen ja fast alle (Überlebenden) weit mehr „heraus“ als Sie je an Beiträgen „einbezahlt“ hatten. Und  Pensionistinnen meiner Elterngeneration erhielten im Rahmen des Generationen-vertrages bei gleichen Beiträgen bis zum Doppelten unserer Enkelgeneration.

BLL: Aber man hört immer wieder von zu frühen durchschnittlichen Pensionsantrittsalter der Österreicher (58,6 statt 61 Jahren) und auch von exorbitant hohen Pensionsbezügen bei beispielsweise Magistratbediensteten, Politikern, Nationalbankdirektoren. Warum gibt es das immer noch?

Marin: Ja, leider gibt es noch immer viel zu viele sogenannte Luxusrentner, mit Pensionen bis über 30.000,- monatlich, die aber in ihrem Erwerbsleben nur einen Bruchteil dafür eingezahlt haben. Offenbar haben sich Altpolitiker, Manager, Direktoren und Bedienstete in politiknahen Unternehmen, in den Kammern, im Kommunalbereich, in EVN, der Wien Energie, KELAG, TIWAG, der Nationalbank usw. solche Verträge ausgehandelt und diese sind z.B. für die OeNB auch gerichtsanhängig.

Es wird schwierig sein solche Verträge zu ändern, es sei denn man erkennte sie als „gegen die guten Sitten“ verstoßend und daher „null und nichtig“. Dies könnte zutreffen, wenn etwa ein durchschnittlicher OeNB-Mitarbeiter unterhalb der Direktoriumsebene im Rahmen seiner Erwerbstätigkeit rd 600.000 € in das Pensionssystem einzahlt und dann  mehr als 2,3 Mio herausbekommt.

Grundsätzlich wäre das ASVG-Modell durchaus fast nachhaltig, aber wir leben in Österreich eben mit vielen Sonderregelungen. Nehmen Sie die Beamten her, nach wie vor Übergangsbestimmungen bis 2020 oder 2042 statt 2009, 50% höhere Auszahlungen für gleiche Beiträge, in 10 Jahren höhere Pensionsansprüche als ASVGler in über 28 Jahren, im Gegensatz zu ASVG-Versicherten selbst in Frühpension keinerlei Ruhensbe-stimmungen, Beamte können also abschlagsfrei dazuverdienen, während ASVG-Früh-pensionisten bei Nebeneinkünften ihre Pension verlieren.

BLL: Was kann die Lösung sein und was ist zu tun?

Marin: Grundsätzlich müssen wir alle länger arbeiten, zumindest bis 65 Jahre, Männer und Frauen, das von der Regierung beschlossene Reformvorhaben würde also, selbst wenn es erreicht würde, längerfristig bei weitem nicht reichen. Bis 2025 braucht man in Österreich zwar das Pensionsalter nicht über das gesetzliche von  65 Jahren (allerdings für Männer und Frauen !) anzuheben, vorausgesetzt, wir beginnen rasch das faktische Pensionsantrittsalter stark anzuheben. Weiters kann das nur gelingen, wenn die diversen – ich würde fast sagen „unehrenhaften“ – Sonderregelungen ausgesetzt würden.

Erst in den Jahren 2025 bis 2050 müssen die Österreicher um etwa weitere fünf Jahre länger arbeiten, also bis 70, bei stark steigender Erwerbsbeteiligung vielleicht nur bis 68 oder 69 Jahre, damit das System finanzierbar bleibt.

Abgelehnt wird von der überwältigenden Mehrheit der ÖsterreicherInnen eine Art „Volkspension“ oder Einheitspension, unabhängig von unterschiedlichen Einzahlungshöhen, sodass die Leistungen die sehr unterschiedlichen Beiträge in das Pensionssystem überhaupt nicht berücksichtigten.

BLL: Die griechischen Pensionen wurden ab dem Jahr 2013 um 30% gekürzt. Finden Sie das menschlich und schließen Sie derartige Kürzungen in Österreich aus?

Marin: Dabei muss man festhalten, dass die Lebenspensionssummen in Griechenland, besonders für Frauen, bis vor kurzem sogar höher als etwa in Deutschland waren, von wo sie gestützt wurden. So lagen sie sechs mal höher als etwa in der Slowakei bei vergleichbarem Einkommensniveau, was die Solidarität vor allem innerhalb der Eurozone weit überstrapazierte, weil das griechische Pensionssystem permanent stark bezuschusst werden musste. Daher diese vergleichsweise drastische Austeritätsmaß-nahme, natürlich trifft es jeden Einzelnen (allerdings mit Ausnahme gerade der Reichsten, leider) sehr hart. Aber wenn ein System so grundlegend falsch aufgesetzt ist und alle sehr viel weniger einzahlen, als sie sich dann herausnehmen, muss man das System ändern. Aus heutiger Sicht schließe ich solche dramatischen Einschnitte in anderen Ländern, schon gar für Österreich, aus.

BLL: Wir stellen immer öfter fest, dass Leserinnen und Leser die Wohnungssituation speziell im Mietbereich kritisieren. Gemeint ist damit folgendes: Wenn eine Pensionistin eine Pension von 1.200,- monatlich hat und sie zahlte vor 10 Jahren 400,- Miete, so konnte sie das tägliche Leben noch einigermaßen bestreiten. Bei den heutigen Mieten müsste sie für eine gleichwerte Wohnung um die 800,- monatlich zahlen und könnte ihr Leben nicht mehr bestreiten. Wie kommen wir aus dieser Spirale heraus und was kann die Lösung für junge Menschen sein.

Marin: In der Tat könnte diese Kostendynamik im Mietbereich in Zukunft immer mehr Menschen treffen, und auch vor allem heute junge Menschen – so sie nicht rechtzeitig Vorsorge treffen können. Kleinstpensionsbezieher werden kleinere Wohnungen in preiswerteren Gegenden suchen, um ihr Auskommen zu haben. Auch werden wieder verstärkt Wohngemeinschaften gebildet – so wie dies schon heute viele junge Menschen machen und sich eine große Altbauwohnung in Miete teilen.

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass unser Pensionssystem – irrtümlich – so aufgebaut ist, dass jeweils zwei Menschen miteinander leben und zusammen zwei Pensionen haben. Da wir in Zukunft aber noch weit mehr Singlehaushalte über 50 haben werden als heute schon, wird sie das voll treffen, wenn Sie nur eine Pension und im Vergleich mit dem letzten Erwerbseinkommen starke Einbußen haben werden.

Bereits heute haben wir Situationen beispielsweise in Großbritannien, wo ältere Menschen sich den Lebensstandard mit ihrer Pension speziell im Großraum London nicht mehr leisten können und in billigere Länder wie Spanien, Kanarische Inseln, Südfrankreich, usw. auswandern.

BLL: Was raten Sie jungen Menschen hinsichtlich ihrer Pensionsvorsorge? Zahlt sich ihrer Meinung eine private Vorsorge neben der staatlichen System aus?

Marin: Faktisch können sich Kleinverdiener heute kaum private Vorsorge leisten und müssen mit ihrer ASVG-Pension auskommen. Zur Not können Ausgleichszulagen und andere Unterstützungen beantragt werden. Jedenfalls werden die zukünftigen Generationen deutlich länger arbeiten müssen, um auf vergleichbare Pensionen wie ihre Eltern oder Großeltern zu kommen – die sie dann auch sehr viel länger und in einer höheren Lebenspensionssumme beziehen werden.

Diejenigen die über der Höchstverdienstgrenze verdienen, bei männlichen Angestellten über 50 immerhin bereits jeder zweite, sollten privat vorsorgen, um die absehbare Pensionslücke auszugleichen.

BLL: Sie beraten doch viele Regierungsstellen mit ihren Analysen und Konzepten. Folgen Politiker Ihren Empfehlungen uneingeschränkt?

Marin: Leider nicht immer, da gibt es große Unterschiede. Während beispielsweise in Skandinavien unsere Studien intensiv besprochen werden und auch von der Politik meist umgesetzt werden, ist dies in anderen Ländern anders. Manchmal verschwinden unsere Studien in Schubladen, die Politik verschließt die Augen und denkt nur an die nächsten Wahlen und nicht an die gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen für die Steuerzahler. Auch werden wir oft erst in allerletzter Minute vor einem Regierungs-abkommen oder Gesetzesbeschluss um unsere Meinung gefragt. Meist kommt dann ein nur politisch, aber nicht wirtschaftlich tragfähiger Kompromiss heraus.

 

BLL: Dürfen wir noch etwas über Sie privat erfahren, Wie alt sind Sie und sind Sie schon in Pension?

Ich bin 66 Jahre, bin weiterhin am Institut beschäftigt, habe meinen Vertrag erst jüngst verlängert, wäre bereits pensionsberechtigt, werde aber die Pension bis auf weiteres nicht antreten. Ich lebe nach einigen Jahren als Professor an der EU-Universität in Florenz, Italien seit längerem wieder in Wien.

Vielen Dank für das interessante Gespräch!

Foto: pepo schuster

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2 Kommentare

  1. Herr Prof. Marin in der Theorie und rechnerisch mag das alles stimmen, aber wo bleibt da die Menschlichkeit. Es kann doch nicht sein das der Politik zukünftige Generationen egal sind. Diese Menschen haben auch einbezahlt und einen Anspruch. Wie viel ist der Gesellschaft es wert, dass Menschen nicht an der Existenzgrenze leben müssen.
    Wie viel wird für unnötige Dinge seitens der Staaten ausgegeben – einfach mal umschichten.

  2. Wenn ich mit meinem Sohn spreche, der 31 Jahre ist, meint er unsere Generation bekommt sowieso keine Pension mehr. Ich erläutere ihm dann den sogenannten Generationenvertrag und dann meint er „wir haben kein Vertrauen in unsere Politiker“.
    Teilweise muss man ihm Recht geben, denn eine Pensionserhöhung von 0,8% und einen Hunderter ist einfach unangemessen. Da klingt es wie Hohn, dass Beamte die wesentlich höhere Pensionen im Ruhestand haben dies ebenfalls erhalten.
    Der Gipfel aber ist eindeutig, dass im Parlament die Reduzierung von „Bonzenpensionen um die 20.000,-“ mit den Stimmen aller (Ausnahme NEOS) im letzten Moment wieder abgeändert wurde und nun so mancher sogar mehr bekommt als vorher. Wen wundert da das Misstrauen.

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