Mit Sonja Zwazl der WKNÖ-Präsidentin im Gespräch

BLL: Frau Präsidentin, dass die Menschen älter werden und länger leben, ist unbestritten, doch mit dieser Entwicklung stößt unser Generationensystem an seine Grenzen, wenn wir an die Finanzierbarkeit der Pensionen oder die Kündigungen von älteren Arbeitnehmern denken. Wie reagieren Sie als Präsidentin auf diese Entwicklung?

Zwazl: Wir werden nicht umhin kommen, künftig länger zu arbeiten. 1970 gingen die Österreicherinnen und Österreicher im Schnitt mit 62 in Pension – und hatten 13 Pensionsjahre vor sich. Heute erfolgt der Pensionsantritt durchschnittlich mit 58 – und 25 Jahre in der Pension folgen. Das kann sich nicht ausgehen. Wir werden um ein Maßnahmenpaket nicht herumkommen, das aus meiner Sicht jedenfalls ein Aus für die „Hacklerregelung“, eine raschere Angleichung des gesetzlichen Frauenpensionsalters sowie kräftige Abschläge bei vorzeitigem Pensionsantritt, aber auch kräftige Zuschläge für jene, die über das Regelpensionsalter hinaus arbeiten, umfassen muss.

BLL: Einerseits fordern EU-weit Politiker, dass Menschen bis 67 oder 69 Jahre arbeiten sollen, anderseits werden viele Menschen bereits mit 58 Jahren gekündigt. Wo liegt da das Problem und wie reagiert die Wirtschaft auf Aussagen von Politikern und Gewerkschaftsfunktionären, die meinen, es müssten Quoten für ältere Beschäftigte eingeführt werden? Auch Strafen bzw. Abschlagszahlungen stehen im Raum.

Zwazl: Ich lasse die Wirtschaft sicher nicht pauschal so hinstellen, als würde sie ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfach hemmungslos rauswerfen. Das stimmt einfach nicht. Da verstellen leider ein paar schlechte Beispiele von – teils staatsnahen – Großbetrieben die Sicht auf das Gesamtbild. In der großen Masse unserer Betriebe wird generationenübergreifende Partnerschaft gelebt. Gerade in der jüngsten Finanzkrise haben die niederösterreichischen Unternehmen mehr als deutlich bewiesen, dass sie selbst in schwierigsten Zeiten versuchen, ihre Mitarbeiter zu halten.

Von Strafforderungen, Abschlagszahlungen oder Quoten halte ich gar nichts. Sie kommen für mich nicht in Frage. Die Regulierungswut, mit der Unternehmen konfrontiert sind, ist ohnedies schon groß genug. Solche Forderungen schaden mehr als sie nützen.

BLL: In einem der letzten WKNÖ-Kommentare meinen Sie, dass die beiden Seniorenorganisationen in den letzten Jahren so getan haben, als wäre bei den Pensionen alles leistbar. Wenn wir die letzten Kollektivvertragsabschlüsse ansehen wie bei Beamten, Industrie und Handel, so fiel die Pensionserhöhung eher geringer aus. Finden Sie das fair? Die Lebenserhaltungskosten sind ja auch bei den Pensionsempfängern stark gestiegen.

Zwazl: Bitte mich korrekt zu zitieren: Ich habe nicht pauschal von Seniorenorganisationen gesprochen, sondern von bestimmten Seniorenvertretern, die so getan haben, als wäre alles leistbar, und die jetzt glauben, Firmen mit Strafen drohen zu müssen.

Faktum ist außerdem, dass die Nettoeinkommen der Pensionisten zwischen 1997 und 2010 um 44,4% gestiegen sind, jene der unselbstständig Erwerbstätigen dagegen nur um 25,9%. Nimmt man nur die Jahre 2005 bis 2010 heran, steht es immer noch 14,7 zu 10,5% zu Gunsten der Senioren. Da lässt sich auch die Fairness-Frage stellen.

Aber ich halte nichts davon, Gruppen gegeneinander auszuspielen. Fairness ist keine Einbahnstraße. Da sind die Jüngeren gegenüber den Älteren durchaus gefordert, aber eben auch die Älteren gegenüber den Jüngeren.

BLL: Ebenso fordern Sie eine Umkehrung der Gehaltskurve mit höheren Einstiegsgehältern und flacheren Anstiegen. Bei den Beamten wurde dies mit der Unfinanzierbarkeit eben erst abgelehnt. Wie soll und kann die Wirtschaft das finanzieren?

Zwazl: Wir werden einfach nicht darum herumkommen. Und das wird natürlich auch nicht von heute auf morgen gehen, sondern ein schrittweiser Prozess sein. Aber die Schieflage ist evident: Jüngeren fehlt bei der Familiengründung das Geld. Ältere haben es dann, brauchen es aber nicht mehr so dringend. Mit höheren Einstiegsgehältern und flacheren Anstiegen bei gleichbleibender Lebensverdienstsumme schaffen wir da mehr Ausgewogenheit – auch für die Betriebe.

BLL: Welche Maßnahmen und Beiträge seitens der Wirtschaft sehen Sie, damit ältere Menschen nicht mit 58 Jahren in die Frühpension oder, was noch schlimmer ist, in die Arbeitslosigkeit „entlassen“ werden?

Zwazl: Nochmals: Dieses Bild stimmt nicht, einige negative Beispiele verfälschen das Gesamtbild. Die Wirtschaft weiß, dass sie ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter braucht – in Zukunft aufgrund der demographischen Entwicklung dringender denn je. Erfahrung ist ja durchaus etwas, was für unsere Betriebe sehr wichtig ist.

Was wir künftig vielleicht noch stärker entwickeln müssen, ist ein System einer altersgerechten Beschäftigung – wo sich die Stärken der verschiedenen Generationen innerhalb der Belegschaften auch stärker in den jeweiligen Aufgaben innerhalb des Betriebs spiegeln.

Dazu gehört vor allem auch eine stärkere Bereitschaft zu Schulungen, auch im „fortgeschrittenen“ Alter. Da gibt es derzeit noch auf beiden Seiten Mankos: Älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fehlt es zum Teil an der Bereitschaft, Neues zu lernen, den Betrieben zum Teil an der Bereitschaft, auch Ältere in Neu- und Weiterqualifizierungen aufzunehmen. Ohne Weiterbildung geht es aber nicht. Das gilt für alle Generationen.

BLL: Das AMS beklagt, dass es faktisch unmöglich sei, Arbeit suchende Menschen mit 58 Jahren zu vermitteln, weil die Betriebe lieber Junge einstellen. Was soll sich da in der Wirtschaft ändern, damit diese Menschen wieder eine Jobchance haben? Wenn die Wirtschaft da nicht „mitspielt“, dann bleiben diese Menschen acht oder mehr Jahre bis zu ihrem Pensionsantritt arbeitslos.

Zwazl: Ich habe das Rezept schon vorgezeichnet: Lebenslange Weiterbildung, eine neu gestaltete Gehaltskurve und dazu die demographische Entwicklung – das sind starke Parameter, dass es gar nicht erst zu Arbeitslosigkeit kommt.

Mir ist überhaupt wichtig, dass wir gesamtgesellschaftlich zu einer Neu-Beurteilung der Arbeit an sich kommen. Ideologien, die uns über Jahrzehnte und leider nach wie vor einreden wollten, dass eine möglichst frühe und möglichst lange Pension das Maß aller Dinge und das höchste Lebensglück wäre, müssen endlich ausgedient haben. Auch da – in Sachen innerer Einstellung – gibt es noch viel zu tun.

BLL: Wie stehen Sie zum Thema „Jugendwahn“? Erst jüngst hat ein deutscher Medienmacher erklärt, die Wirtschaft, die Medien, alles sei nur auf die Jugend ausgerichtet – so nach dem Motto, man müsse die jungen Menschen gleich am Anfang ihres Lebensweges werblich erreichen, damit sie dann ihr Leben lang das Produkt kaufen. Dass dies so nicht funktioniert, wissen wir. Zeigen doch viele positive Beispiele, dass ältere Menschen schon gezielt angesprochen werden und auch eine kaufkräftige und treue Zielgruppe darstellen. Sehen Sie da nicht möglicherweise sogar „ungenützte Marktchancen“ für ihre Mitglieder?

Zwazl: Mit „Jugendwahn“ fange ich gar nichts an. Jede Generation hat ihre Stärken und Schwächen, jede Generation hat ihre spezifischen Besonderheiten – im einmal Besseren, einmal Schlechteren. Wer sein Handeln nur nach einer bestimmten Gruppe – gleichgültig welcher – ausrichtet, verliert den Gesamtblick, verengt seinen Horizont.

Und natürlich sind ältere Menschen für die Wirtschaft eine interessante, spannende und wachsende Zielgruppe, die nicht vernachlässigt werden kann und darf. Aber das wissen die Betriebe auch sehr genau. Die Zahl der Dienstleistungen und Produkte, die gerade für ältere Menschen entwickelt und angeboten werden, steigt. Das ist auch gut und richtig so.

BLL: Dürfen wir Sie fragen, was ihre beruflichen und privaten Ziele für das Jahr 2012 sind?

Zwazl: Als Präsidentin der Wirtschaftskammer Niederösterreich ist mein erstes Ziel, Betrieben ihr Unternehmertum bestmöglich zu ermöglichen – und Belastungen wie irgendwelche Strafdrohungen, Quoten oder zusätzliche finanzielle Erschwernisse möglichst zu verhindern.

Als Unternehmerin will ich weiter am Puls der Zeit bleiben – weil auch nur so, mit ständiger Weiterentwicklung, der unternehmerische Erfolg erzielt werden kann.

Und auch privat setze ich auf Weiterbildung. Mein Traum ist der Sachverständigenkurs für Möbel des 18. und 19. Jahrhunderts.

Danke für das Gespräch!

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4 Kommentare

  1. Sehr löblich das Frau Präsidentin die Wirtschaft schützt, aber warum sind dann so viele ältere Menschen arbeitslos und finden keine Arbeit mehr? Ich selbst kann davon ein Lied singen, nur durch einen persönlichen Kontakt fand ich Arbeit mit 57, das AMS konnte nicht helfen. Gebe aber recht das wir die Lebenseinkommen ändern müssen, Anfangs mehr und später weniger, damit werden Ältere nicht durch Jüngere ersetzt.

  2. Viele offene Wunden, in die Ihre Redaktion bei dem Gespräch hineingestochen hat. Das tut weh, wie aus den Stellungnahmen von Frau Zwazl unschwer herauszulesen ist. Zumal die Wahrheit so ausschaut, wie mir ein AMS-Mitarbeiter vertraulich mitgeteilt hat: „Wir haben von oben die Order, uns vor allem um die Jungen und die Immigranten zu kümmern.“ Bleiben Sie also bitte weiterhin so kritisch und lassen Sie sich nicht von Schönfärberei beirren!

  3. Als 66-Jähriger finde ich schon das sich die Wirtschaft zu sehr auf die Jugend stürzt. Meine Frau klagt immer wieder das es nur preiswerte Modeketten für Junge gibt. Bei Intersport finden junge Sportler sicher etwas, aber ich als alter Sportler finde nichts.

  4. Ein Gespräch gekennzeichnet von typisch „politischen“ Stellungsnahmen. Fakten werden nur aufgezählt, wenn sie auch dem politischen Kalkül entsprechend politisch oppurtun sind. wie lange gaukeln wir noch eine heile Welt vor?
    als positiven Ansatz sehe ich die neu zu strukturierenden Gehälter. Ältere Arbeitnehmer, die ihren Job wechseln, sollten zum Gehalt junger Arbeitnehmer eingestellt werden-da wird eine neue Einsicht nötig werden!
    Pensionisten ergreift die Initiative! schliesst Euch zusammen! Ihr seid eine Riesengruppe mit sehr müdem politischem Gewicht!
    Sucht das Gespräch mit den Pensionistenverbänden und macht konstruktive Vorschläge.
    Viel Erfolg dabei

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